EN 1090: Der vollständige Leitfaden für Metallbau-Unternehmen 2025
Zielgruppe: TOFU - Geschäftsführer, Technische Leiter von Metallbau-KMUs Haupt-Keyword: EN 1090 Sekundäre Keywords: EN 1090 Zertifizierung, EN 1090 Anforderungen, CE Kennzeichnung Metallbau Wortanzahl: ~2.200 Wörter Letzte Aktualisierung: Oktober 2025
Was ist EN 1090? Die wichtigste Norm für Metallbau-Unternehmen
EN 1090 ist die europaweit harmonisierte Norm für die Herstellung und Konformitätsbewertung von Stahl- und Aluminiumbauteilen. Seit dem 1. Juli 2014 ist die CE-Kennzeichnung nach EN 1090 verpflichtend für alle tragenden Bauteile aus Stahl und Aluminium, die in der EU in Verkehr gebracht werden.
Für Metallbau-Unternehmen bedeutet das: Ohne EN 1090-Zertifizierung dürfen Sie keine tragenden Stahlkonstruktionen mehr verkaufen oder montieren.
In diesem Leitfaden erfahren Sie:
- ✅ Welche Anforderungen die EN 1090 an Ihr Unternehmen stellt
- ✅ Wie der Zertifizierungsprozess abläuft
- ✅ Welche Dokumentation Sie benötigen
- ✅ Wie digitale Tools den Compliance-Prozess vereinfachen
Die EN 1090 Normen-Familie im Überblick
Die EN 1090 besteht aus drei Hauptteilen:
EN 1090-1: Konformitätsnachweise
DIN EN 1090-1:2009+A1:2011 regelt die Konformitätsbewertung von tragenden Bauteilen. Sie definiert:
- Werkseigene Produktionskontrolle (WPK): Qualitätsmanagementsystem im Betrieb
- CE-Kennzeichnung: Voraussetzungen und Prozess
- Leistungserklärung (Declaration of Performance, DoP): Pflichtdokument für jedes Bauprodukt
- Zertifizierung durch notifizierte Stelle: Überwachung der Produktionskontrolle
Wichtig: Die EN 1090-1 ist für alle Metallbauer relevant, unabhängig von der Größe oder Ausführungsklasse.
EN 1090-2: Technische Anforderungen für Stahlbau
DIN EN 1090-2:2018 beschreibt die technischen Anforderungen für tragende Stahlkonstruktionen:
- Schweißen (Verfahren, Qualifikationen, Prüfung)
- Mechanische Verbindungen (Schrauben, Nieten)
- Vorbereitung und Montage
- Maßtoleranzen nach ISO 13920
- Oberflächenschutz nach ISO 12944
Sie definiert außerdem die vier Ausführungsklassen (Execution Classes):
| Ausführungsklasse | Typische Anwendung | Anforderungen |
|---|---|---|
| EXC 1 | Einfache Bauteile ohne statische Relevanz | Niedrig |
| EXC 2 | Standard-Stahlbau (Hallen, Träger) | Mittel |
| EXC 3 | Anspruchsvolle Konstruktionen (Brücken, Hochhäuser) | Hoch |
| EXC 4 | Extreme Anforderungen (Sonderbauwerke) | Sehr hoch |
Die Ausführungsklasse bestimmt den Umfang der Schweißerqualifikation, Prüfung und Dokumentation.
EN 1090-3: Technische Anforderungen für Aluminiumbau
DIN EN 1090-3:2008 regelt die technischen Anforderungen für tragende Aluminiumkonstruktionen (z.B. Fassaden, Wintergärten).
Die Struktur ist ähnlich zu EN 1090-2, berücksichtigt aber die Besonderheiten von Aluminium beim Schweißen und der Oberflächenbehandlung.
Wer braucht eine EN 1090 Zertifizierung?
Zertifizierungspflicht besteht für:
✅ Metallbau-Betriebe, die tragende Stahlkonstruktionen herstellen ✅ Stahlbauer für Hallen, Träger, Stützen ✅ Fassadenbauer bei tragenden Aluminium-Elementen ✅ Schlossereien, die tragende Bauteile schweißen ✅ Behälterbauer (wenn Bauprodukte nach EN 1090) ✅ Kranbauer für tragende Stahlstrukturen
Keine Zertifizierung erforderlich für:
❌ Nicht-tragende Bauteile (z.B. Geländer, Zäune, Gitter) ❌ Maschinen und Anlagen (fallen unter Maschinenrichtlinie) ❌ Reparaturen und Instandsetzung (keine Inverkehrbringung) ❌ Reine Montagebetriebe (nur Installation, keine Herstellung)
Grauzone: Viele Bauteile können je nach Verwendung tragend oder nicht-tragend sein. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Rücksprache mit einer notifizierten Stelle.
Der Weg zur EN 1090 Zertifizierung: 7 Schritte
Schritt 1: Analyse & Gap-Assessment
Prüfen Sie, welche Anforderungen Ihr Betrieb bereits erfüllt:
- Existiert ein Qualitätsmanagementsystem (ISO 9001)?
- Sind Schweißer nach ISO 9606-1 qualifiziert?
- Gibt es dokumentierte Schweißanweisungen (WPS)?
- Ist eine Schweißaufsichtsperson nach ISO 14731 vorhanden?
Schritt 2: Werkseigene Produktionskontrolle (WPK) einführen
Die WPK ist das Herzstück der EN 1090-1. Sie umfasst:
Dokumentation:
- Verfahrensanweisungen für alle Produktionsschritte
- Schweißanweisungen (WPS) nach ISO 15609
- Schweißerqualifikationen nach ISO 9606-1
- Prüfanweisungen (NDT-Planung)
- Materialzertifikate (EN 10204)
Personelle Anforderungen:
- Schweißaufsichtsperson (IWS, IWT, IWE je nach EXC)
- Qualifizierte Schweißer mit gültigen Prüfungen
- Geschultes Personal für Prüfverfahren
Technische Ausstattung:
- Kalibrierte Prüfmittel
- Geeignete Schweißausrüstung
- Lagerung für Schweißzusätze (trocken, temperiert)
Schritt 3: Notifizierte Stelle auswählen
Notifizierte Stellen in Deutschland (Auswahl):
- TÜV SÜD, TÜV Nord, TÜV Rheinland
- SLV (Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalten)
- DEKRA, DQS
- ETA-Cert
Die Kosten variieren je nach Betriebsgröße: 2.000€ - 8.000€ für die Erstzertifizierung.
Schritt 4: Erstaudit durchführen
Das Audit umfasst:
- Dokumentenprüfung: WPK-Handbuch, WPS, Schweißerqualifikationen
- Betriebsbegehung: Produktion, Lagerung, Prüfmittel
- Mitarbeiterinterviews: Kenntnisstand zur WPK
- Produktprüfung: Stichproben von Bauteilen
Typische Mängel beim Erstaudit:
- Fehlende oder veraltete Schweißerprüfungen
- Unvollständige Schweißanweisungen (WPS)
- Keine Materialrückverfolgbarkeit (Chargen)
- Unkalibrierte Messgeräte
Schritt 5: Mängel beheben
Nach dem Audit erhalten Sie einen Mängelbericht. Kritische Mängel müssen vor der Zertifikatserteilung behoben werden.
Zeitrahmen: 2-8 Wochen je nach Umfang
Schritt 6: Zertifikat erhalten
Nach erfolgreicher Nachprüfung erhalten Sie das Zertifikat für die werkseigene Produktionskontrolle.
Gültigkeit: In der Regel unbegrenzt, solange die jährlichen Überwachungsaudits bestanden werden.
Schritt 7: Jährliche Überwachung
Überwachungsaudits finden mindestens einmal jährlich statt (bei EXC 3/4 ggf. häufiger).
Kosten: Ca. 1.500€ - 3.000€ pro Jahr
Dokumentationspflichten nach EN 1090
Pflichtdokumente für jedes Bauprodukt:
1. Leistungserklärung (DoP)
Die Declaration of Performance beschreibt die wesentlichen Merkmale des Bauprodukts:
- Produkttyp und Verwendungszweck
- Werkstoffkennwerte (Festigkeit, Schweißbarkeit)
- Ausführungsklasse (EXC 1-4)
- Korrosionsschutz (falls relevant)
- Bezug zur harmonisierten Norm (EN 1090-1)
Wichtig: Pro Bauvorhaben/Produkttyp eine DoP (nicht pro einzelnem Bauteil).
2. CE-Kennzeichnung
Die CE-Kennzeichnung muss sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Bauteil, einem Etikett oder den Begleitdokumenten angebracht sein.
Mindestangaben:
CE
[Kennnummer der notifizierten Stelle]
[Name/Firmenzeichen des Herstellers]
[Referenznummer der DoP]
[Produkttyp]
[EN 1090-1]
3. Schweißanweisung (WPS)
Jedes Schweißverfahren benötigt eine qualifizierte Schweißanweisung nach ISO 15609-1.
Inhalt:
- Grundwerkstoff (Material, Dicke)
- Schweißzusatz (Norm, Typ)
- Schweißparameter (Strom, Spannung, Vorschub)
- Vorwärmtemperatur
- Zwischenlagentemperatur
- Nahtart und -vorbereitung
Qualifizierung: Durch Schweißverfahrensprüfung (WPQR nach ISO 15614) oder Herstellerbescheinigung (pWPS).
4. Schweißerprüfungen
Alle Schweißer müssen nach ISO 9606-1 geprüft sein.
Gültigkeit:
- Grundsätzlich 2 Jahre ab Prüfdatum
- Verlängerung durch Kontinuitätsprüfung (6-Monats-Nachweis)
- Bei Unterbrechung >6 Monate: Neu-Prüfung erforderlich
5. Materialzertifikate
Für alle Grundwerkstoffe sind Werkszeugnisse nach EN 10204 erforderlich:
- 2.1: Werkszeugnis (nicht ausreichend für tragende Bauteile)
- 3.1: Abnahmeprüfzeugnis (Standard für EXC 2)
- 3.2: Abnahmeprüfzeugnis mit Fremdüberwachung (erforderlich ab EXC 3)
Rückverfolgbarkeit: Chargen-Nummern müssen bis zum fertigen Bauteil nachvollziehbar sein.
Häufige Fehler bei der EN 1090 Umsetzung
❌ Fehler 1: Schweißer arbeiten ohne gültige Prüfung
Folge: Schwerer Mangel im Audit, ggf. Zertifikatsentzug Lösung: Digitale Überwachung der Ablaufdaten, automatische Erinnerungen
❌ Fehler 2: WPS fehlen oder sind unvollständig
Folge: Bauteil darf nicht in Verkehr gebracht werden Lösung: WPS-Bibliothek für Standardfälle, Software-gestützte Erstellung
❌ Fehler 3: Materialzertifikate gehen verloren
Folge: Keine CE-Kennzeichnung möglich, Bauteil muss nachgeprüft werden Lösung: Digitale Zertifikatsverwaltung mit Chargenzuordnung
❌ Fehler 4: DoP wird nicht für jedes Projekt erstellt
Folge: Rechtliche Konsequenzen, keine CE-Kennzeichnung zulässig Lösung: Automatische DoP-Generierung auf Basis der Projektdaten
❌ Fehler 5: Prüfumfang entspricht nicht der Ausführungsklasse
Folge: Mangel im Audit, Nachprüfung erforderlich Lösung: NDT-Planungstool basierend auf EXC und Bauteil-Geometrie
Kosten der EN 1090 Compliance
Einmalige Kosten (Erstzertifizierung):
| Position | Kosten |
|---|---|
| Beratung/Schulung | 1.500€ - 5.000€ |
| Zertifizierungsaudit | 2.000€ - 8.000€ |
| WPK-Dokumentation erstellen | 2.000€ - 10.000€ |
| Schweißerprüfungen (5-10 Schweißer) | 2.500€ - 5.000€ |
| Schweißaufsicht-Weiterbildung | 3.000€ - 15.000€ |
| Gesamt | 11.000€ - 43.000€ |
Laufende Kosten (jährlich):
| Position | Kosten/Jahr |
|---|---|
| Überwachungsaudit | 1.500€ - 3.000€ |
| Schweißer-Kontinuität (10 Schweißer) | 500€ - 1.500€ |
| Prüfmittel-Kalibrierung | 300€ - 800€ |
| Software/Tools (optional) | 1.200€ - 6.000€ |
| Gesamt | 3.500€ - 11.300€ |
Zeitaufwand (ohne Software):
- Erstdokumentation: 40-120 Stunden
- Laufende Verwaltung: 2-5 Stunden/Woche
- Audit-Vorbereitung: 10-20 Stunden/Jahr
Digitalisierung der EN 1090 Dokumentation
Vorteile digitaler Tools:
✅ 70% Zeitersparnis bei WPS-Erstellung (2 Min. statt 30-60 Min.) ✅ Automatische Ablaufüberwachung für Schweißerprüfungen ✅ Lückenlose Rückverfolgbarkeit von Materialchargen ✅ DoP-Generierung per Klick statt manueller Erstellung ✅ Audit-Sicherheit durch vollständige digitale Akten ✅ Fehlerreduktion durch vorausgefüllte Formulare
Wie StahlNorm hilft:
StahlNorm ist eine All-in-One-Software für EN 1090 Compliance:
- 📝 WPS-Editor: Schweißanweisungen nach ISO 15609 in 2 Minuten
- 👷 Schweißer-Management: Automatische Ablaufprüfung, Kontinuitätsverwaltung
- 📄 Materialzertifikate: Upload, OCR-Erkennung, Chargenverfolgung
- ✅ CE-Kennzeichnung: Automatische DoP-Generierung nach EN 1090-1
- 📊 Dashboard: Compliance-Status auf einen Blick
- 🔄 Projekt-Integration: Alle Dokumente am richtigen Ort
ROI: Typische Amortisation in 6-12 Monaten durch Zeitersparnis und Fehlerreduktion.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Braucht jeder Schweißer eine ISO 9606-1 Prüfung?
Ja, wenn er tragende Bauteile nach EN 1090 schweißt. Ausnahmen:
- Nicht-tragende Bauteile (z.B. Geländer)
- Heften unter Aufsicht einer geprüften Schweißaufsicht (nur EXC 1)
Für EXC 2-4 ist eine gültige Schweißerprüfung nach ISO 9606-1 zwingend erforderlich.
Kann ich mit pWPS (preliminary WPS) arbeiten?
Ja, wenn Sie die Herstellerbescheinigung des Schweißzusatz-Herstellers vorweisen können.
Aber: Bei kritischen Anwendungen (EXC 3/4, dickere Bleche >25mm) ist oft eine WPQR (Schweißverfahrensprüfung nach ISO 15614) erforderlich.
Was passiert, wenn ich ohne EN 1090 Zertifikat arbeite?
Rechtliche Konsequenzen:
- Bauaufsichtliche Maßnahmen (Stilllegung)
- Gewährleistungsausschluss
- Haftungsrisiken bei Schäden
- Bußgelder bis 100.000€
Wirtschaftliche Folgen:
- Verlust von Aufträgen (Zertifikat wird oft gefordert)
- Nacharbeit/Neuherstellung auf eigene Kosten
- Reputationsschaden
Wie lange dauert die Erstzertifizierung?
Typischer Zeitrahmen:
- Vorbereitung & Dokumentation: 3-6 Monate
- Audit-Termin: 1-2 Tage
- Mängelbehebung: 2-8 Wochen
- Gesamt: 4-9 Monate
Mit digitaler Unterstützung kann der Prozess auf 2-4 Monate verkürzt werden.
Gilt die EN 1090 auch in der Schweiz?
Die Schweiz hat die EN 1090 teilweise übernommen (SN EN 1090).
Aber: Die CE-Kennzeichnung ist in der Schweiz nicht verpflichtend. Trotzdem verlangen viele Auftraggeber eine EN 1090-Konformität, insbesondere bei grenzüberschreitenden Projekten.
Welche Ausführungsklasse brauche ich?
Die Ausführungsklasse wird vom Tragwerksplaner im statischen Nachweis festgelegt, basierend auf:
- Konsequenzklasse (CC1, CC2, CC3)
- Serviceability Class (SC1, SC2)
- Produktionsklasse (PC1, PC2)
Faustregel:
- EXC 2: Standard-Hallenbau, einfache Träger
- EXC 3: Hochhäuser, Brücken, öffentliche Gebäude
- EXC 4: Sonderkonstruktionen (sehr selten)
Fazit: EN 1090 als Qualitätsmerkmal
Die EN 1090 ist mehr als nur eine lästige Pflicht – sie ist ein Qualitätsnachweis für Ihr Unternehmen:
✅ Vertrauen bei Auftraggebern ✅ Strukturierte Prozesse ✅ Weniger Fehler und Nacharbeit ✅ Rechtssicherheit ✅ Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht-zertifizierten Betrieben
Mit den richtigen Tools wird die Compliance zum Business Enabler statt zur Belastung.
Nächste Schritte:
- EN 1090 Compliance Checkliste herunterladen (PDF, kostenlos)
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Weiterführende Artikel:
- Schweißanweisung (WPS) erstellen: Schritt-für-Schritt nach ISO 15609-1
- EN 1090 Ausführungsklasse bestimmen: Entscheidungsbaum
- Leistungserklärung (DoP) automatisch generieren
- ROI digitale Schweißdokumentation: Kostenvergleich für KMUs
Über StahlNorm: StahlNorm ist die führende Software für EN 1090 Compliance im DACH-Raum. Über 500 Metallbau-Betriebe vertrauen auf unsere All-in-One-Lösung für Schweißdokumentation, CE-Kennzeichnung und Qualitätsmanagement.
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