Zurück zu NormenISO 13920:1996
Geometrische Toleranzen

ISO 13920:1996

Allgemeintoleranzen für Schweißkonstruktionen

ISO 13920 definiert vier Toleranzklassen (A = fein, B = mittel, C = grob, D = sehr grob) für Schweißkonstruktionen. Die Norm gilt automatisch, wenn in technischen Zeichnungen keine spezifischen Toleranzen angegeben sind, und ist integraler Bestandteil der EN 1090-2 Anforderungen für Stahltragwerke.

Klasse B ist Standard im Stahlbau

Für normalen Stahlhochbau (Büros, Wohnbauten) ist Klasse B (mittlere Toleranzen) die bewährte Wahl. Klasse A nur bei besonderen Anforderungen, Klasse C für Wirtschaftlichkeit.

Toleranzklassen A, B, C, D im Detail

Von höchster Präzision (A) bis wirtschaftlich (D) – die richtige Wahl spart Kosten

Klasse A
Sehr hoch (aufwendige Nacharbeit)
Feine Toleranzen (Fine)

Höchste Präzisionsanforderungen für passgenaue Bauteile mit engen Fugen

Typische Anwendung

Präzisionsbauteile, Maschinenbau, enge Passungen, Sichtbauteile höchster Qualität

Länge

±1.0 mm (100 mm), ±1.5 mm (500 mm)

Winkel

±15' (0.25°)

Ebenheit

0.5 mm/m

Kosten

Sehr hoch (aufwendige Nacharbeit)

✓ Vorteile

  • Höchste Passgenauigkeit
  • Minimale Fugenbreiten
  • Präzise Geometrie

⚠ Nachteile

  • Sehr teuer
  • Zeitaufwendig
  • Hoher Nacharbeitsaufwand
Klasse B
Mittel (Standard-Aufwand)
Mittlere Toleranzen (Medium)

Standard für hochwertigen Stahlhochbau mit guter Passgenauigkeit

Typische Anwendung

Standard-Stahlhochbau, Bürogebäude, Wohnbauten, sichtbare Tragwerke

Länge

±2.0 mm (100 mm), ±3.0 mm (500 mm)

Winkel

±20' (0.33°)

Ebenheit

1.0 mm/m

Kosten

Mittel (Standard-Aufwand)

✓ Vorteile

  • Gute Passgenauigkeit
  • Wirtschaftlich
  • Bewährter Standard

⚠ Nachteile

  • Nicht für Präzisionsteile
  • Fugen können sichtbar sein
Klasse C
Günstig
Grobe Toleranzen (Coarse)

Für allgemeinen Metallbau mit reduzierten Genauigkeitsanforderungen

Typische Anwendung

Lagerhallen, Fachwerke, nicht sichtbare Bauteile, wirtschaftlicher Metallbau

Länge

±3.0 mm (100 mm), ±5.0 mm (500 mm)

Winkel

±30' (0.5°)

Ebenheit

1.5 mm/m

Kosten

Günstig

✓ Vorteile

  • Wirtschaftlich
  • Schnelle Fertigung
  • Wenig Nacharbeit

⚠ Nachteile

  • Sichtbare Fugen
  • Begrenzte Passgenauigkeit
Klasse D
Sehr günstig
Sehr grobe Toleranzen (Very coarse)

Für unkritische Konstruktionen ohne besondere Anforderungen

Typische Anwendung

Landwirtschaftliche Bauten, Gerüste, provisorische Konstruktionen, Hilfskonstruktionen

Länge

±5.0 mm (100 mm), ±10 mm (500 mm)

Winkel

±60' (1°)

Ebenheit

2.5 mm/m

Kosten

Sehr günstig

✓ Vorteile

  • Sehr wirtschaftlich
  • Minimaler Aufwand
  • Schnellste Fertigung

⚠ Nachteile

  • Große Fugen
  • Keine Passgenauigkeit
  • Nur für unkritisch

Toleranzarten im Detail

Längen-, Winkel-, Ebenheits- und Geradheitstoleranzen

Längentoleranzen
Zulässige Abweichungen von Sollmaßen (Länge, Breite, Höhe)
Bereich/KlasseKlasse AKlasse BKlasse CKlasse D
≤ 100 mm±1.0 mm±2.0 mm±3.0 mm±5.0 mm
101-500 mm±1.5 mm±3.0 mm±5.0 mm±10 mm
501-1000 mm±2.0 mm±4.0 mm±6.0 mm±12 mm
> 1000 mm±3.0 mm±6.0 mm±10 mm±15 mm

Hinweis: Wichtig für Passung und Montage

Winkeltoleranzen
Zulässige Abweichungen von Sollwinkeln (90°, 45°, etc.)
Bereich/KlasseKlasse AKlasse BKlasse CKlasse D
Klasse A±15' (0.25°)---
Klasse B-±20' (0.33°)--
Klasse C--±30' (0.5°)-
Klasse D---±60' (1°)

Hinweis: 1° = 60' (Bogenminuten) = 17.5 mm/m Abweichung

Ebenheitstoleranz
Max. Abweichung von einer Ebene (Verwölbung, Welligkeit)
Bereich/KlasseKlasse AKlasse BKlasse CKlasse D
Klasse A0.5 mm/m---
Klasse B-1.0 mm/m--
Klasse C--1.5 mm/m-
Klasse D---2.5 mm/m

Hinweis: Kritisch bei großen Flächen (Anschlussplatten, Flansche)

Geradheitstoleranzen
Max. Abweichung von einer geraden Linie (Durchbiegung)
Bereich/KlasseKlasse AKlasse BKlasse CKlasse D
≤ 1000 mm1.0 mm2.0 mm3.0 mm5.0 mm
1001-3000 mm2.0 mm4.0 mm6.0 mm10 mm
> 3000 mm3.0 mm6.0 mm9.0 mm15 mm

Hinweis: Wichtig bei langen Trägern und Stützen

Auswahlkriterien für Toleranzklasse

Welche Klasse passt zu welcher Anwendung?

KriteriumKlasse AKlasse BKlasse CKlasse D
Funktion des BauteilsPassteile, Lager, FührungenTragende HauptbauteileSekundärbauteileNicht tragende Hilfsteile
SichtbarkeitRepräsentative SichtflächenSichtbare BauteileTeilweise sichtbarNicht sichtbar
MontageartEnge Passungen, SchrumpfungNormale VerschraubungGrobe VerbindungenProvisorisch, angeschweißt
WirtschaftlichkeitHoher Aufwand vertretbarStandardaufwandKostengünstige LösungMinimaler Aufwand

Praxisbeispiele

Konkrete Bauteile mit Klassen-Empfehlungen

Trägerlänge 6000 mm

Klasse B

±6 mm (Standard Stahlbau)

Klasse C

±10 mm (Wirtschaftlich)

Wann welche? Klasse B: Bei direkter Montage. Klasse C: Bei Schweißung vor Ort mit Anpassung.

Flanschplatte 300×300 mm

Klasse B

±3 mm, Ebenheit 1 mm/m

Klasse C

±5 mm, Ebenheit 1.5 mm/m

Wann welche? Klasse B: Bei Schraubenverbindung (Dichtung!). Klasse C: Bei Anschweißflansch.

Rechter Winkel 90°

Klasse B

±0.33° (±6 mm/m Abweichung)

Klasse C

±0.5° (±9 mm/m Abweichung)

Wann welche? Klasse B: Sichtbare Ecken, Fassaden. Klasse C: Innenliegende Knoten.

Häufige Fehler bei Toleranzen

1

Keine Toleranzklasse angegeben

Mittel

Zeichnung verweist auf ISO 13920, aber ohne Angabe der Klasse (A/B/C/D). Folge: Unklarheit, welche Toleranzen gelten. Fertigung muss nachfragen → Verzögerung.

2

Falsche Klasse für Anwendung gewählt

Hoch

Klasse D für sichtbares Fassadenbauteil gewählt. Folge: Große Fugen, schlechte Optik, Nacharbeit erforderlich.

3

Engere Toleranzen als nötig gefordert

Hoch

Klasse A gefordert, obwohl Klasse B ausreichen würde. Folge: Unnötig hohe Kosten (bis zu 50% Mehraufwand) ohne funktionalen Vorteil.

4

Toleranzen nicht auf Montage abgestimmt

Sehr hoch

Klasse C für Bauteile mit engen Passungen. Montage nicht möglich, Nacharbeit vor Ort erforderlich.

5

Schweißverzug nicht berücksichtigt

Sehr hoch

Klasse A ohne Ausgleich für Schweißverzug gefordert. Selbst bei sorgfältigster Fertigung nicht erreichbar → Bauteil wird nie die Toleranz einhalten.

Häufige Fragen zu ISO 13920

Wann gilt ISO 13920 automatisch?

ISO 13920 gilt, wenn in Zeichnungen auf die Norm verwiesen wird (z.B. 'Allgemeintoleranzen nach ISO 13920 - Klasse B') ODER wenn keine spezifischen Toleranzen angegeben sind und die Norm im Zeichnungskopf referenziert ist. Die Toleranzklasse (A/B/C/D) muss immer explizit angegeben werden.

Welche Toleranzklasse ist Standard im Stahlbau?

Klasse B ist Standard für normalen Stahlhochbau (Büros, Wohnbauten, sichtbare Tragwerke). Klasse C für wirtschaftlichen Metallbau (Lagerhallen, nicht sichtbare Bauteile). Klasse A nur bei besonderen Anforderungen (Passungen, Präzisionsteile). Klasse D für unkritische Hilfskonstruktionen.

Können spezielle Toleranzen ISO 13920 überschreiben?

Ja, spezifisch in der Zeichnung angegebene Toleranzen haben immer Vorrang vor ISO 13920. Beispiel: Zeichnung sagt 'ISO 13920-B' aber für eine Länge steht '1000 ±0.5 mm' → Die ±0.5 mm gelten, nicht die ±4 mm aus Klasse B.

Was kostet der Unterschied zwischen Klasse B und C?

Klasse C kann 15-30% günstiger sein als Klasse B, da weniger Nacharbeit (Richten, Schleifen) erforderlich ist. Klasse A ist oft 30-50% teurer als B. Wichtig: Nur so eng wie nötig wählen, um Kosten zu sparen.

Wie werden Toleranzen gemessen?

Längentoleranzen: Mit Messschieber, Maßband oder Lasermessgerät. Winkeltoleranzen: Mit Winkelmesser oder Messwinkel. Ebenheitstoleranzen: Mit Richtlineal und Fühlerlehre. Geradheitstoleranzen: Mit gespanntem Draht oder Laser. Bei EXC3/4 oft Messprotokoll erforderlich.

Gilt ISO 13920 auch für Aluminium?

Ja, ISO 13920 gilt für alle geschweißten Metallkonstruktionen (Stahl, Aluminium, Edelstahl). Allerdings: Aluminium hat oft größeren Schweißverzug → In Praxis oft Klasse C statt B nötig, um wirtschaftlich zu bleiben.

Was ist mit Schweißverzug?

ISO 13920 Toleranzen gelten für das fertige, abgekühlte Bauteil. Schweißverzug muss im Vorfeld berücksichtigt werden (Gegenzug, Reihenfolge, Heftung). Bei großen Bauteilen Klasse A oft praktisch nicht erreichbar.

Wie dokumentiere ich Toleranzen in Zeichnungen?

Im Zeichnungskopf: 'Allgemeintoleranzen nach ISO 13920 - Klasse B' eintragen. Alternativ: Nur 'ISO 13920-B' ausreichend. Für spezifische Maße: Direkt am Maß eintragen (überschreibt ISO 13920).

Toleranzen digital verwalten

Projektspezifische Toleranzklassen festlegen, automatisch in Zeichnungen übernehmen und bei Audits nachweisen