ISO 15609-1:2019
Schweißanweisung (WPS) für Lichtbogenschweißen
Die ISO 15609-1 ist die zentrale Norm für die Erstellung von Schweißanweisungen (Welding Procedure Specification - WPS). Sie definiert, welche Informationen eine WPS enthalten muss, wie Schweißparameter festgelegt werden und wie die WPS durch eine Schweißverfahrensprüfung (WPQR) qualifiziert wird. Eine konforme WPS ist Voraussetzung für EN 1090-2 Compliance ab Ausführungsklasse EXC2.
Kern-Feature von StahlNorm
Der WPS-Editor von StahlNorm basiert vollständig auf ISO 15609-1:2019 und führt Sie durch alle Pflichtfelder. Automatische Validierung verhindert ungültige Parameterkombinationen.
Aufbau einer WPS nach ISO 15609-1
Eine konforme WPS muss alle 8 Hauptabschnitte enthalten. Pflichtangaben sind mit ✓ gekennzeichnet.
Schweißverfahren nach ISO 4063
Die häufigsten Lichtbogenschweißverfahren für Stahlkonstruktionen
Lichtbogenhandschweißen (E-Hand)
Baustelle, Reparaturen
MIG-Schweißen (Aluminium)
Aluminium-Konstruktionen
MAG-Schweißen (Stahl)
Stahlbau, häufigste Verfahren
MAG-Schweißen (Fülldr aht)
Keine Schutzgas-Flasche nötig
WIG-Schweißen
Wurzellagen, Edelstahl
Kritische Schweißparameter
Diese Parameter haben den größten Einfluss auf die Schweißnahtqualität und müssen in der WPS korrekt festgelegt werden.
Bedeutung
Zu hoch: Grobkorn, Versprödung. Zu niedrig: Risse, unvollständige Durchschweißung.
Typische Werte
0.5 - 3.0 kJ/mm (abhängig von Material und Dicke)
Bedeutung
Verhindert Kaltrisse, besonders bei dicken Blechen und hochfesten Stählen.
Typische Werte
S235: oft nicht erforderlich. S355 >20mm: 50-100°C. S690: 100-200°C
Bedeutung
Zu hoch: Festigkeitsverlust, Grobkorn. Abkühlen lassen vor nächster Lage.
Typische Werte
Max. 250-350°C (materialabhängig)
Qualifikation durch WPQR
Jede WPS muss durch eine Schweißverfahrensprüfung (WPQR) nach ISO 15614-1 qualifiziert werden. Die WPQR definiert den Gültigkeitsbereich der WPS.
- Zugversuch
- Biegeversuch
- Kerbschlagbiegeversuch (falls erforderlich)
- Makroschliff
- Härteprüfung (bei hochfesten Stählen)
- Material: Geprüfte Werkstoffgruppe ± 1 Gruppe
- Dicke: 0.5× bis 2× geprüfte Dicke (Stumpfnaht)
- Durchmesser: > 0.5× geprüfter Durchmesser
- Position: Geprüfte Position + einfachere Positionen
Wichtig: WPS ohne WPQR ist ungültig
Eine WPS ohne zugehörige WPQR ist nach ISO 15609-1 nicht konform. Sie müssen nachweisen können, dass die in der WPS angegebenen Parameter durch eine Schweißverfahrensprüfung abgedeckt sind.
Häufige Fehler bei der WPS-Erstellung
Fehlende WPQR-Referenz
Die WPS nennt keine zugehörige WPQR-Nummer. Ohne Qualifikationsnachweis ist die WPS ungültig.
Parameter außerhalb WPQR-Gültigkeitsbereich
WPS gibt Blechdicke 25 mm an, aber WPQR wurde nur mit 10 mm geprüft. Gültigkeitsbereich: max. 20 mm (2× geprüfte Dicke).
Unvollständige Schweißparameter
Stromstärke und Spannung fehlen oder nur als Einzelwerte statt als Bereich angegeben. ISO 15609-1 fordert Min/Max-Angaben.
Falsche Werkstoffgruppen-Zuordnung
Grundwerkstoff S355 (Gruppe 1.2) wird mit WPS für S235 (Gruppe 1.1) geschweißt. Werkstoffgruppen-Überbrückung nicht zulässig.
Vorwärmtemperatur fehlt bei dickwandigen Bauteilen
Hochfeste Stähle oder Blechdicken >20 mm ohne Vorwärmtemperatur = hohes Kaltriss-Risiko.
Keine Freigabe durch Schweißaufsicht
WPS wird ohne Unterschrift der Schweißaufsicht (EWE/IWE) verwendet. Ab EXC2 ist die Freigabe durch Schweißaufsicht Pflicht.
Veraltete Norm-Version
WPS basiert auf ISO 15609-1:2004 statt 2019. Aktuelle Norm-Version ist seit 2019 in Kraft.
WPS erstellen: Schritt-für-Schritt
WPQR als Grundlage wählen
Beginnen Sie mit einer gültigen WPQR, die das gewünschte Verfahren, Material und Dicke abdeckt.
Schweißverfahren und Position festlegen
Wählen Sie Verfahren nach ISO 4063 (z.B. 135 = MAG) und Schweißposition (PA, PB, PC, etc.).
Grundwerkstoffe und Zusatzwerkstoffe spezifizieren
Material-Norm, Werkstoffgruppe, Dickenbereich und passenden Zusatzwerkstoff eintragen.
Schweißparameter festlegen
Stromstärke, Spannung, Schweißgeschwindigkeit als Bereiche (Min-Max) angeben. Streckenenergie berechnen.
Thermische Parameter prüfen
Vorwärmtemperatur nach SEW 088 berechnen (falls erforderlich). Zwischenlagentemperatur max. festlegen.
Schweißablauf dokumentieren
Anzahl Lagen, Pendeltechnik, Reinigungsschritte zwischen Lagen beschreiben.
WPS durch Schweißaufsicht freigeben lassen
EWE/IWE prüft Vollständigkeit und Konformität, gibt WPS frei (Unterschrift + Datum).
WPS-Nummer vergeben und archivieren
Eindeutige WPS-Nummer (z.B. WPS-001-MAG-S355) vergeben und revisionssicher ablegen.
Häufig gestellte Fragen zu ISO 15609-1
Ja, eine WPS ist nicht projektspezifisch. Solange Material, Dicke und Schweißverfahren innerhalb des Gültigkeitsbereichs liegen, kann dieselbe WPS für beliebig viele Projekte verwendet werden.
Nein, eine WPS gilt für eine Schweißaufgabe (z.B. 'MAG-Schweißen S355 10-20mm'). Alle Nähte mit gleichen Parametern können mit derselben WPS geschweißt werden.
Eine WPS hat kein Ablaufdatum, solange die zugrundeliegende WPQR gültig ist und sich die Norm nicht geändert hat. Empfehlung: Alle 5 Jahre auf Aktualität prüfen.
Eine pWPS (preliminary WPS) ist eine vorläufige Schweißanweisung ohne WPQR-Qualifikation. Sie darf nur für die Erstellung der Schweißverfahrensprüfung verwendet werden, nicht für die Produktion.
Ja, innerhalb der in der WPS angegebenen Min/Max-Bereiche. Außerhalb dieser Bereiche ist eine neue WPQR erforderlich. Kritische Parameter (z.B. Vorwärmtemperatur) dürfen nicht unterschritten werden.
Ja, MAG, WIG und E-Hand erfordern separate WPS. Auch unterschiedliche Schutzgase (z.B. M21 vs. M12) benötigen eigene WPS.
Erstellen kann jeder technisch versierte Mitarbeiter. Freigeben darf nur die Schweißaufsicht (EWE/IWE/IWT je nach EXC-Klasse).
Ab EXC2 ist das Schweißen ohne WPS ein schwerer Verstoß gegen EN 1090-2. Im Schadensfall kann das zu Haftungsansprüchen führen. Bei Audits führt es zur Nicht-Konformität.