ISO 15614-1:2017
Anforderungen für die Qualifizierung von Schweißverfahren durch Schweißverfahrensprüfung
Die ISO 15614-1 regelt, wie Schweißverfahren durch eine Schweißverfahrensprüfung (WPQR - Welding Procedure Qualification Record) qualifiziert werden. Die WPQR ist die unverzichtbare Qualifikationsgrundlage für jede WPS und weist nach, dass mit den angegebenen Schweißparametern fehlerfreie Schweißnähte mit ausreichender mechanisch-technologischer Festigkeit hergestellt werden können.
Pflicht ab EXC2
Nach EN 1090-2 ist ab Ausführungsklasse EXC2 zwingend eine WPQR als Qualifikationsnachweis für jede WPS erforderlich. Ohne WPQR ist die WPS ungültig.
Prüfumfang nach ISO 15614-1
Eine WPQR muss umfangreiche zerstörende und zerstörungsfreie Prüfungen bestehen. Alle Prüfergebnisse müssen die Mindestanforderungen erfüllen.
Zugversuch quer zur Naht
Mindestzugfestigkeit des Grundwerkstoffs erreicht
→ ISO 4136
Querbiegeversuch
Keine Risse > 3 mm nach Biegung um 180°
→ ISO 5173
Kerbschlagbiegeversuch
Mindest-Kerbschlagarbeit bei Prüftemperatur
→ ISO 9016 (falls erforderlich)
Makroschliff
Nahtaufbau, Bindefehler, Einbrand prüfen
→ ISO 17639
Härteprüfung (HV10)
Bei hochfesten Stählen ≥ S460
→ ISO 9015-1
Visuelle Prüfung 100%
Keine Oberflächenfehler, Risse, Poren
→ ISO 17637
Radiografische Prüfung (RT)
Bewertungsgruppe B nach ISO 5817
→ ISO 17636
Ultraschallprüfung (UT)
Alternative zu RT, Bewertungsgruppe B
→ ISO 17640
Bewertung Ungänzen
Keine unzulässigen Poren, Bindefehler, Einschlüsse
→ ISO 5817
Gültigkeitsbereiche nach ISO 15614-1
Die WPQR qualifiziert die WPS nicht nur für die exakt geprüften Parameter, sondern für definierte Bereiche. Diese Regeln sind kritisch für die Anwendbarkeit.
Werkstoffgruppen
Geprüfte Gruppe ± 1 Gruppe (nach ISO/TR 15608)
Geprüft
Gruppe 1.2 (S355)
Qualifiziert
1.1 (S235), 1.2 (S355), 1.3 (S420)
💡 Eine Gruppe nach unten und nach oben
Blechdicke Stumpfnaht
0.5 × t bis 2 × t (aber mindestens 3 mm)
Geprüft
t = 10 mm
Qualifiziert
5 mm bis 20 mm (min. 3 mm gilt immer)
💡 Dicke verdoppeln/halbieren
Blechdicke Kehlnaht
Keine obere Begrenzung
Geprüft
a = 6 mm
Qualifiziert
3 mm bis unbegrenzt
💡 Kehlnähte flexibler als Stumpfnähte
Rohr-Außendurchmesser
≥ 0.5 × D (geprüft), ab D ≥ 25 mm für alle Ø gültig
Geprüft
D = 100 mm
Qualifiziert
≥ 50 mm (oder ab 25 mm für alle)
💡 Kleine Rohre kritischer
Schweißposition
Geprüfte Position qualifiziert einfachere Positionen
Geprüft
PF (Rohr fallend/Überkopf)
Qualifiziert
PA, PB, PC, PD, PE, PF (alle außer PG)
💡 PF = maximale Flexibilität
Nahtart
Stumpfnaht qualifiziert Kehlnaht mit
Geprüft
Stumpfnaht (BW)
Qualifiziert
Stumpfnaht + Kehlnaht (FW)
💡 Kehlnaht allein qualifiziert nur Kehlnaht
WPQR erstellen: 8 Schritte
Der komplette Ablauf einer Schweißverfahrensprüfung
Schweißprobe herstellen
Probe nach pWPS (preliminary WPS) schweißen. Mindestens 150 mm Nahtlänge oder vollständiges Bauteil.
Kritisch: Alle Parameter exakt nach pWPS einhalten und dokumentieren
Abkühlen lassen
Probe auf Raumtemperatur abkühlen lassen. Keine beschleunigte Abkühlung (Wasser), außer in pWPS vorgesehen.
Kritisch: Abkühlbedingungen beeinflussen Gefüge
Visuelle Prüfung
100% VT nach ISO 17637. Oberfläche auf Risse, Poren, Einbrandkerben prüfen.
Kritisch: Bereits hier disqualifizierende Fehler möglich
Zerstörungsfreie Prüfung
RT oder UT der gesamten Probe. Bewertung nach ISO 5817, Bewertungsgruppe B erforderlich.
Kritisch: Innere Fehler müssen ausgeschlossen werden
Proben entnehmen
Zugproben, Biegeproben, Kerbschlagproben nach Norm-Vorgaben entnehmen.
Kritisch: Entnahmeposition und -richtung genau definiert
Zerstörende Prüfungen
Zugversuch, Biegeversuch, ggf. Kerbschlagversuch und Härteprüfung durchführen.
Kritisch: Alle Grenzwerte müssen erreicht werden
Makroschliff anfertigen
Schliff quer zur Schweißnaht. Nahtaufbau, Einbrand, Bindefehler dokumentieren.
Kritisch: Nahtgeometrie muss Anforderungen erfüllen
WPQR dokumentieren
Alle Ergebnisse in WPQR-Formblatt eintragen. Von Prüfer und Schweißaufsicht unterschreiben lassen.
Kritisch: WPQR ist rechtliches Dokument
Häufige Fehler bei WPQR
Parameter weichen von pWPS ab
Während der Schweißprobe werden andere Parameter verwendet als in der pWPS angegeben. Folge: WPQR ungültig, WPS nicht qualifiziert.
Gültigkeitsbereich überschritten
WPS gibt 25 mm Blechdicke an, aber WPQR wurde mit 10 mm geprüft (max. 2× = 20 mm). WPS außerhalb Gültigkeitsbereich.
Nicht alle Prüfungen dokumentiert
Kerbschlagversuch wurde vergessen oder Makroschliff fehlt. WPQR ist unvollständig und ungültig.
Grenzwerte nicht erreicht
Zugfestigkeit 10% unter Mindestwert. Eine einzige nicht bestandene Prüfung = komplette WPQR ungültig.
Keine unabhängige Prüfstelle
Firmeneigener Mitarbeiter führt alle Prüfungen durch. Für EN 1090 wird oft unabhängige Stelle (TÜV, SLV) gefordert.
Häufige Fragen zu ISO 15614-1
Die WPS ist die Arbeitsanweisung für Schweißer (wie wird geschweißt). Die WPQR ist das Prüfprotokoll, das beweist, dass die WPS-Parameter funktionieren (Beweis durch Prüfung). Ohne WPQR ist die WPS nicht qualifiziert und ungültig.
Unbegrenzt, solange sich Normen, Werkstoffe oder Schweißverfahren nicht grundlegend ändern. Empfehlung: Alle 5-10 Jahre auf Aktualität prüfen, besonders bei Normänderungen.
Ja, eine WPQR kann beliebig viele WPS qualifizieren, solange alle WPS-Parameter innerhalb des WPQR-Gültigkeitsbereichs liegen. Das spart Kosten.
3.000-10.000 EUR abhängig von Prüfumfang, Material, Dicke und Prüfstelle. Hochfeste Stähle (S690), große Dicken und komplexe Positionen (PF) sind teurer. Externe Prüfstellen (TÜV, SLV) teurer als interne Prüfung.
Die Schweißprobe kann im eigenen Betrieb hergestellt werden. Die Prüfungen müssen von qualifiziertem Personal durchgeführt werden. Für EN 1090 oft externe Prüfstelle erforderlich.
Die WPQR ist ungültig. Es muss eine neue Schweißprobe mit angepassten Parametern hergestellt und komplett neu geprüft werden. Einzelne Prüfungen können nicht wiederholt werden.
Nein, die WPQR gilt nur für die geprüften Parameter. Für andere Materialkombinationen, Verfahren oder größere Dicken ist eine neue WPQR erforderlich.
Nein, WPQR ist projektunabhängig. Einmal erstellt, kann sie für alle Projekte verwendet werden, solange die WPS-Parameter im Gültigkeitsbereich liegen.